Ketamin - ein Schmerzmedikament mit einzigartiger Wirkung (Anti-Chronfizierung)
als NMDA-Rezeptorantagonist
Ketamin ist seit Jahrzehnten als Narkosemedikament in der Anästhesie im Gebrauch und dafür zugelassen. Es hat besondere Wirkungen: Ketamin wirkt als eines der wenigen Medikamente hemmend auf den NMDA-Rezeptor, der bewirkt, dass Schmerzen und Nerven dauerhaft „hochgeregelt“ bleiben und extrem empfindlich werden. Dadurch spielen die NMDA-Rezeptoren in der Chronifizierung von Schmerzen eine bedeutende Rolle.
In unserem Schmerzzentrum wird Ketamin intravenös gemäß den „Leitlinien der Consensus Conference 2018 der „Amerikanischen Schmerzgesellschaften für die Anwendung bei chronischen Schmerzen“ eingesetzt. Es gibt viele Studien und Fallberichte über eine positive Wirksamkeit und über Schmerzverbesserungen mit „Anti-Chronifizierungseffekten“ bei chronischen Schmerzen mit sehr guten stimmungsverbessernden, antidepressiven Wirkungen.
Ketamin ist bisher zugelassen zur Behandlung von starken akuten Schmerzen, aber nicht bei chronischen Schmerzen und auch nicht bei Depressionen. Ketamin wird daher off-label als medizinische Heilmaßnahme bei therapierefraktäre Schmerzen und Depressionen eingesetzt.
Kostenerstattung:
Bisher wird die Ketamintherapie bei Schmerzen nicht von gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Privatversicherungen können einen Antrag auf Kostenübernahme genehmigen.
Medizinische Indikationen:
- therapierefraktäre chronische Schmerzen mit Hyperalgesie, Allodynie (zentrale Schmerz überempfindlichkeit), bei Toleranz/Unwirksamkeit von Opiaten und anderen starken Analgetika.
- therapierefraktäre neuropathischen Nervenschmerzen wie Phantomschmerz, Zoster neuralgie, schweren Nervenschmerzen (z.B. Nervenverletzungen), CRPS (Sudeck-Syndrom),
- therapieresistente schwere Depressionen (keine Behandlungsindikation im Schmerzzentrum!)
Im Schmerzzentrum erfolgt ein Einsatz nur unter strenger Indikationsstellung und sorgfältiger Auswahl und Aufklärung der Patienten. Der sehr erfahrene ärztliche Leiter und Facharzt für Anästhesie hat die Zulassung, eine medizinisch indizierte Ketaminanwendung durchführen.
Anwendung und Behandlungsablauf:
Im Schmerzzentrum wird die Ketamintherapie mit dem modernen Präparat S-Ketamin (Esketamin) 1 mal pro Woche durchgeführt. In der Regel erfolgen 6 Anwendungen. Ketamin läuft intravenös über 2-3 Stunden mit Perfusor (Dauerinfusion) unter kontinuierlicher Überwachung von Herz-Kreislauf und Atmung.
Es werden leitliniengerecht zusätzliche beruhigende Medikamente (Midazolam und Clonidin) gegeben, die Nebenwirkungen von Ketamin verhindern und die positive Wirkungen verbessern.
Eine Begleitperson für den Nachhauseweg ist unbedingt erforderlich. Das Führen eines KFZ bzw. Teilnahme im Straßenverkehr ist nicht erlaubt am Ketamin-Tag (bis 24 Stunden danach).
Literatur: „Consensus Guidelines on the Use of Intravenous Ketamine Infusions for Chronic Pain from the American Society of Regional Anesthesia and Pain Medicine, the American Academy of Pain Medicine, and the American Society of Anesthesiologists Regional Anesthesia and Pain Medicine“ Volume 43, Number 5, July 2018
Ketamin - ein Schmerzmedikament mit einzigartigen Wirkungen gegen chronische Schmerzen und Depressionen
Im ambulanten Schmerzzentrum wird die intravenöse Ketamintherapie seit 2017 in der Behandlung von chronischen Schmerzen und bei therapieresistenten Depressionen eingesetzt. Die häufigsten Fragen zu der speziellen Ketamin-Behandlungsmethode, die in Deutschland nur in wenigen Zentren verfügbar ist, werden nachfolgend beantwortet:
Was ist Ketamin?
Ketamin ist ein seit Jahrzehnten bekanntes Narkosemittel, mit dem man Kurznarkosen für kleinere operative Eingriffe oder in der Notfallmedizin macht. Seit einigen Jahren wird Ketamin sehr erfolgreich in der Behandlung verschiedener psychosomatischer Krankheiten eingesetzt.
Wie wirkt Ketamin gegen chronische Schmerzen und Depressionen?
Ketamin ist ein seit langem in der Anästhesie verwendetes Medikament in der Medizin, das bisher nicht gegen Depressionen eingesetzt wurde. Mittlerweile ist jedoch auch die Wirkung des Ketamins gegen chronische Schmerzen und Depressionen nachgewiesen. Wahrscheinlich spielt die Hemmung auf NMDA-Rezeptoren der Nerven als Wirkmechanismus von Ketamin in bestimmten Gehirnbereichen (u.a. limbisches System) eine entscheidende Rolle.
Ketamin verbessert die Neuroplastizität, das Gehirn wird wieder leistungsfähiger, neue neuronale Verbindungen können entstehen.
Ketamin wirkt im Gegensatz zu anderen Antidepressiva sofort. Der Effekt tritt meist bereits während der ersten Infusion auf und erzielt gewöhnlich sein Maximum am folgenden Tag. Allerdings hält die Wirkung unterschiedlich lang an: Manchmal nur wenige Tage, oft Wochen, in seltenen Fällen sogar Monate oder Jahre. Deshalb sind meist mehrere Infusionen erforderlich oder – noch besser – die Kombination mit anderen Verfahren, wie Psychotherapie, Hypnose oder Magnetstimulation. Gerade bei Menschen, die viele vergebliche Therapieversuche mit unterschiedlichsten Antidepressiva hatten, kann Ketamin den Durchbruch bringen und die Depression beseitigen. Suizidgedanken verschwinden endlich, Ketamin ist derzeit die einzig bekannte antisuizidal hochwirksame Substanz.
Die Wirkungsweise von Ketamin gegen Depressionen und Suizidgedanken ist nachgewiesen, aber noch nicht vollständig geklärt. Ketamin wirkt im Gehirn einzigartig: an den NMDA-Rezeptoren. Die Wirkung hält aber sehr viel länger an als die Substanz im Körper verweilt. Nach wenigen Stunden ist Ketamin bereits ausgeschieden. Man spricht dabei von einem “hit and go” Effekt. Im übertragenen Sinn wird eine Tür („neuronal gate“) wieder geschlossen, die dann geschlossen bleiben kann, manchmal aber auch langsam wieder auf geht.
NMDA-Rezeptoren der Nervenzellen werden bei längerdauernden (chronischen) Schmerzen und bei Depressionen aktiviert und dauerhaft geöffnet. Der natürliche Botenstoff, der im Körper an die NMDA-Rezeptoren bindet, ist Glutamat. Ketamin ist die bisher einzige gegen Schmerzen und antidepressiv wirksame Substanz, die effektiv in das Glutamat-System des Gehirns eingreift.
Darüber hinaus werden Effekte auf die Organisation verschiedener Hirngebiete und Verbindungen von Nervenzellen (sogenannte Neuroplastizität) angenommen. Es gibt eine gute Daten- und Studienlage, sie ist aber noch nicht ausreichend, um Ketamin zur Behandlung von chronischen Schmerzen oder einer Depression zuzulassen. Die Behandlung ist jedoch medizinisch möglich als „Heilbehandlung“, sie erfolgt als “off-label” Medikamentenanwendung.
Bei einem Off-Label-Einsatz wird ein Medikament, das bereits für eine medizinische Behandlung zu gelassen ist (bei Ketamin: für Narkose und Anästhesieverfahren, akute schwere Schmerzen) für eine andere medizinische Therapie eingesetzt, für die noch keine Zulassung besteht. In den USA ist bereits seit 2019 das Ketamin-Nasenspray SPRAVATO® zur Depressionsbehandlung zugelassen.
Wir verfügen über die große Erfahrung und Routine im Umgang mit diesem Verfahren. Trotz der zurückhaltender Indikation mit diesem Off-Label-Verfahren sehen wir beeindruckende Erfolge bei sehr guter Verträglichkeit. Eine Entscheidung für eine intravenöse Ketamin-Behandlung ist aber immer individuell zu treffen und erfordert eine eingehende ärztliche Beratung und Aufklärung.
Für wen eignet sich die Ketamin-Behandlung im ambulanten Schmerzzentrum?
Wir bieten Ihnen die Ketamin-Infusionsbehandlung an, wenn Sie bisher nicht von den üblichen schmerzmedizinischen Behandlungen bzw. von antidepressiven Therapien profitiert haben oder diese Behandlungen nicht vertragen haben.
Diese Therapieresistenz von chronischen Schmerzen und Depressionen ist eine der wichtigsten anerkannten Indikationen für Ketamin. Dann rechtfertigt sich der Einsatz eines medizinischen Verfahrens, welches dafür zwar noch nicht ausdrücklich zugelassen ist, es aber zahlreiche wissenschaftliche und klinische Studien und Hinweise auf eine gute Wirkung bietet. Wir bieten Ketamin ausschließlich im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans als eines unter mehreren medizinischen Therapieverfahren während einer Behandlung im ambulanten Schmerzzentrum an.
Auch bei anderen Krankheitsbildern kann eine Behandlung mit Ketamininfusionen indiziert und medizinisch erfolgreich sein. Gerne berät Dr. Kammermayer Sie persönlich:
- Chronische Schmerzen
- Schwere Depressionen
- Migräne
- Burnout
- Posttraumatische Belastungsstörungen (PTSD), Traumastörungen
- Zwangsstörungen
- Angststörungen
- Suchterkrankungen und Essstörungen
Wie läuft die Ketamin-Infusionsbehandlung im Schmerzzentrum ab?
Sie werden von vor einer Ketaminbehandlung ausführlich in einem ärztlichen Gespräch beraten und aufgeklärt. Es wird überprüft, ob die bisherigen Behandlungen und Maßnahmen umfassend und ausreichend zum Einsatz kamen. Es erfolgt eine ausführliche Anamnese, Sichtung aller Vorbehandlungen und Befunde, und Sie werden körperlich untersucht. Sie erhalten eine detaillierte schriftliche Aufklärung zur Einwilligung in die Ketaminbehandlung als off-label Behandlung.
Am Behandlungstag dürfen Sie trinken, aber nur wenig/eine Kleinigkeit essen. Vor der Ketamin Infusion legen wir Ihnen Überwachungsgeräte an, um verschiedene Körperfunktionen während der Infusion messen zu können. Hierzu zählen Herzfrequenz, Pulsoxymetrie (misst die Sauerstoffsättigung im Blut), Atemfrequenz und regelmäßige Blutdruckmessungen. Zusätzlich überwachen wir Sie mit einer Videokamera, so dass Sie jederzeit Zeichen geben können.
Über einen Venenzugang, über den die Infusion und zusätzliche beruhigende Medikamente (Midazolam, Clonidin) in die Vene gegeben werden, läuft die Ketamin-Infusion. Sie wird vom Arzt in der passenden Dosierung eingestellt und dann gestartet. Die Ketamindosis beträgt bis zu 0,5 mg/kg Körpergewicht in einer gleichmäßigen Infusion mit Perfusor. Die Dauer beträgt 2 bis 3 Stunden.
Während der Infusion befindet sich permanent eine examinierte medizinische Fachkraft MFA im Raum, so dass Sie jederzeit einen Ansprechpartner haben. Der Arzt kommt regelmäßig vorbei und kontrolliert die Therapie und die Einstellungen. Der Arzt hält sich, während die Ketamininfusion läuft, immer im selben Raum/im Nebenraum auf, so dass er jederzeit kommen und bei Ihnen sein kann.
Nach der Infusion sollten Sie eine Stunde einplanen, um sich zu regenerieren. In dieser Zeit können Sie sich noch hinlegen und ausruhen, und etwas trinken und essen. Der Arzt und das Pflegepersonal betreuen Sie in dieser Zeit. Der Arzt entscheidet, wann Sie entlassen werden können.
Nach der Ketamintherapie gilt: Sie müssen von einer Person abgeholt und nach Hause begleitet werden. Für 24 Stunden gilt: Sie dürfen kein Fahrzeug führen, keine Maschinen bedienen, keine wichtigen Entscheidungen treffen oder Verträge abschließen!
Üblicherweise wird eine Serie von sechs Ketamin-Infusionen durchgeführt: die ersten drei Ketamininfusionen erfolgen 1x wöchentlich, dann erfolgen die Ketamininfusion alle 2-4 Wochen.
Welche zusätzlichen Maßnahmen zur Ketamin-Behandlung sind wichtig?
Magnesium muss zusätzlich in ausreichendem Maß gegeben werden: dies ist möglich als Infusionen oder als transdermales Magnesium (Lösung zum Einreiben über die Haut). Magnesium hat eine sehr gute und wichtige Wirkungen gegen chronischen Schmerzen und Depressionen.
B-Vitamine und Folsäure (insbesondere Vitamin B12) müssen in ausreichendem Maß gegeben werden. Vitamin B12 und Folsäure senken den Homocystein-Spiegel. Die Aminosäure Homocystein sollte im Blutserum nicht zu hoch konzentriert sein, da sie die Wirkung von Ketamin an dem Rezeptor, an den das Ketamin bindet, blockieren kann.
Daher werden wir Ihnen diese B-Vitamine vor der Ketamin-Infusionsbehandlung verordnen.
Welche Risiken und Nebenwirkungen gibt es bei einer Ketamin-Behandlung?
Im Schmerzzentrum wird die Therapie mit dem modernen Präparat S-Ketamin (Esketamin) durchgeführt, das laut neuen Studien die geringsten Nebenwirkungen hat (weniger psychomimetische Wirkungen = unangenehme Sinneswahrnehmungen) und besser verträglich ist als Racemat-Ketamin.
Während der gesamten Behandlungszeit mit der Ketamin Infusion können Sie entspannt liegen und befinden sich in einem Sicht-geschützten Bereich unseres Infusions-Behandlungsraums. Eine medizinische Fachkraft ist permanent anwesend. Sie werden laufend überwacht mit Pulsoxymetrie (Messung der Sauerstoffsättigung), Herzfrequenz-Messung und Blutdruck-Kontrollen. Zusätzlich erfolgt eine Überwachung mit Videokamera, sodass Sie sich jederzeit sich bemerkbar machen können und wir sie immer beobachten können.
Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Ketamintherapie sehr gut vertragen wird. Typischerweise wird der Körper während der Ketamininfusion „leichter“ empfunden, die Schmerzregionen „öffnen“ sich, und man empfindet einen schmerzfreien, leicht schwebenden Zustand wie in einem Entspannunngszustand.
Als Nebenwirkungen nach der Ketamininfusion können während der Therapie leichte Wahrnehmungsveränderungen vom Sehen und von Geräuschen vorkommen. Nach der Ketamintherapie können über einige Stunden anhaltende leichte Benommenheit und Müdigkeit sein, und leichte Kreislaufbeschwerden. Daher sollten Sie sich am Ketamin-Behandlungstag erholen und Ruhe gönnen, sie können aber auch Spazierengehen und sich bewegen. Von anstrengenden Aktivitäten und starker körperlicher Belastung sowie geistigen-psychischen Belastungen wird am Behandlungstag abgeraten.